Auszüge aus einem Manuskript von A.M. Alessi |
(Einführung in die Mystik) |
Vorwort |
... Der Mangel an volkstümlichen Schriften über mystische Vorgänge hat mich zur Herausgabe der vorliegenden Kleinschrift bewogen. Dies aber auch deshalb, weil viele Priester eine instinktive Abneigung gegen mystische Vorkommnisse empfinden, vielleicht deshalb, weil sie sich auf diesem Gebiet zu wenig auskennen. Denn es wird wohl niemand "a priori" im Vornherein mystische Vorkommnisse bestreiten wollen. Für die Priester wird es aber von Nutzen sein, zu wissen, dass es Seelen gibt, die Sühne leisten für die Priestersünden und sich Gott als Opfer anbieten, um ihnen die Gnade der Heiligkeit und die Fruchtbarkeit ihres Apostolates zu erwirken.
A.M. Alessi |
... Wer gegen die Mystik angeht, sich über die Mystik abschätzig äußert, irrt sich oder er beweist zum mindesten, dass er sie nicht kennt.
Es ist unbedingt von Vorteil, wenn sich die Priester dieses Wissen aneignen, damit sie echte mystische Vorgänge von unechten zu unterscheiden vermögen, um mit einer gewissen Sachkenntnis darüber sprechen zu können und endlich, um eventuell ihnen von der Vorsehung anvertraute Seelen leiten zu können. Wenn schon jede Führung Verantwortung bedeutet, wird sie dies in vermehrtem Maß für außerordentliche Seelen sein.
Aus Dankbarkeit! |
In der Kirche hat es schon immer Mystiker gegeben und es gibt sie vielleicht mehr denn je heute, um für den Glaubensabfall zu sühnen. Das Liebäugeln mit dem Rationalismus, Modernismus und mit der Vergnügenssucht sind Gefahren, denen auch Gottgeweihte zum Opfer fallen.
Auserwählte Seelen bedürfen einer sicheren und erleuchteten Führung, sollen sie das Ziel ihrer besonderen Berufung erreichen können. Eine solche Führung kann nur ein gut unterrichteter und kluger Priester an die Hand nehmen, wobei auch die Mystiker dem Priester viel zu geben vermögen. Wer das Glück haben sollte, eine auserwählte Seele kennen zu lernen, möge ganz unbefangen fragen, was für eine Mission ihr Jesus anvertraut habe und für wen sie besonders beten und leiden müsse.
Die häufigste Antwort lautet:
‚Mein Leben und Leiden ist für die Priester bestimmt! Ich leide für sie, um ihre Untreuen zu sühnen, ihnen die Gnade der Umkehr zu erlangen, dass sie großmütig den Weg der Heiligkeit beschreiten, damit ihr priesterliches Wirken reiche Frucht bringe.'
Schon aus diesem Grunde sollten die Priester die Mystiker schätzen und ihnen zu großem Dank verpflichtet sein.
Einzigartige Auserwählung |
Wie Gott bestimmte Menschen zum Ordens- oder Priesterstand ruft, so erwählt Er gewisse Seelen für den mystischen Stand. Solche auserwählte Seelen haben eine große Aufgabe zu erfüllen, sei es im Verborgenen oder in der Öffentlichkeit, je nach dem Plane Gottes. ...
Er lässt solche Seelen an die Öffentlichkeit treten als Erweis Seiner Gegenwart und Güte gegenüber einer Welt, die immer mehr im Unglauben und im Materialismus zu versinken droht. ...
Dass sich der Herr mit Vorliebe den einfachen, schlichten, demütigen Seelen geoffenbart hat, zeigt die Erscheinungsgeschichte von Lourdes und Fatima und anderen Gnadenstätten.
Gott liebt es, Seine Stimme schlichte, hellhörige, lenksame und opferbereite Seelen vernehmen zu lassen, denn in den selbstgerechten, ichsüchtigen, auf Wohlleben und Bequemlichkeit erpichten Seelen findet Er keinen Widerhall.
Der Seelenführer |
Man merke sich gut: Die Führung einer mystisch begabten Seele ist keine leichte Aufgabe. Das Wissen genügt nicht. Es bedarf einer besonderen Gnade, die Gott dem Demütigen und dem nach Heiligkeit strebenden gewährt.
Oft bezeichnet Jesus selbst den Führer, dem sich eine auserwählte Seele anvertrauen muss. Dies kann zu Beginn oder im Laufe des mystischen Lebens geschehen.
Jesus bedarf freilich keines Priesters zur Verwirklichung Seiner Pläne in einer Seele. In Seiner unendlichen Güte will Er sich aber Seiner Priester bedienen, damit sie durch Sein wunderbares Gnadenwirken seelischen Gewinn erlangen, die auserwählten Seelen aber sich durch Gehorsam Verdienste sammeln. Die Aufgabe des Seelenführers lässt sich so umschreiben:
1. Er soll die besondere Berufung der ihm anvertrauten Seele kennen lernen.
2. Mit Klugheit und Umsicht verfolge er den Fortgang der mystischen Zustände (Ablauf, Entfaltung, Stufen), die immer neue Aspekte darbieten können.
3. Er soll die Seele jenen Zielen zuführen, die Gott ihr zugedacht hat, selbst wenn man dabei auf eigene Einsichten verzichten muss, denn Jesus kann Forderungen stellen, die mit den eigenen Ansichten nicht übereinstimmen.
4. Der Opferseele Mut zusprechen, denn meistens befindet sie sich in einem Opferzustand, der viel Großmut, Ausdauer und Selbstverleugnung verlangt.
Eine der schwersten Prüfungen für die Opferseelen ist das Unverstandensein. Jede von ihnen widerspiegelt ein Teilstück aus dem Leben Jesu: Das Ölbergsleiden, den Kreuzweg, vor allem das Unverstandensein, unter dem Jesus während Seines ganzen öffentlichen Lebens litt.
Oft wird die Opferseele von ihrer nächsten Umgebung nicht verstanden. Lebt sie im Kloster, kann sie vielleicht bei den Obern, bei einigen Schwestern oder selbst bei der ganzen Gemeinschaft kein Verständnis finden. Hält sie sich in der eigenen Familie auf, kann sie Schwierigkeiten vonseiten der eigenen Angehörigen erfahren. Daher ist es notwendig, dass ihr Seelenführer sie versteht und unterstützt.
Es wäre deshalb verfehlt, einer Opferseele den mystischen Zustand absprechen zu wollen wegen ihrer Unvollkommenheiten.
Selbst die Heiligen, obwohl es ihre Biographen oft verschweigen, haben ihre schwachen Seiten gehabt. Die menschlichen Armseligkeiten sind wie die Schale, die den Kern der Heiligkeit verbirgt und ihn den zudringlichen Blicken entzieht. Jesus bedient sich dieser Armseligkeiten, um Seine Auserwählten in der Demut zu erhalten.
Der Herr schenkt diesen Seelen sehr viel, Er verlangt aber auch viel von ihnen. Er fordert, dass sie ernstlich nach Vollkommenheit streben und Er hat gleichzeitig Mitleid mit ihren Schwächen. Wenn sie aber mit offenen Augen einen Fehler begehen, selbst wenn es sich dabei auch nur um lässliches Verschulden handelt, verlangt Er entsprechende Sühneleistung. Das hat eine Vermehrung und Verlängerung der Leiden zur Folge.
Die Opferseelen haben Missverständnisse, Verleumdungen und Kämpfe zu erdulden.
Glückselig die Heiligen ... doch wehe denen, die ihnen zur Heiligkeit verhelfen, indem sie die Rolle des bösen Feindes spielen.
In Verbindung mit der Übernatur |
Die Beschauung steht allen Menschen offen, den Männern wie den Frauen, den Ledigen wie den Verheirateten, den Laien wie den Gottgeweihten, wenn nur Gott sie ruft.
Die Beschaulichen sind meist keine Skrupulanten, nicht von ängstlicher Seelenverfassung. Es sind charakterfeste, willensstarke Menschen, sonst könnten sie nicht beharrlich und großmütig die vielen Leiden des Opferzustandes ertragen.
Das beschauliche Leben kann schon in Kindern oder Jugendlichen beginnen, aber auch im fortgeschrittenen Alter.
Die ersten Kontakte mit der Übernatur sind von Seele zu Seele verschieden. Sie widerspiegeln gleichsam die Mannigfaltigkeit der göttlichen Werke. Wir sprechen hier zunächst von einigen Charismen. Es sind unverdient verliehene Gaben, die unmittelbar zum Wohl anderer gegeben werden, obgleich sie mittelbar der eigenen Heiligung dienen können.
Der himmlische Bräutigam |
Nach den ersten Begegnungen mit Jesus tritt die Seele nach und nach in innige Vertrautheit mit dem himmlischen Bräutigam und sie empfängt die ersten Liebesbezeugungen. Da Jesus die menschliche Freiheit immer achtet, ersucht Er die Seele, ehe Er in ihr zu wirken beginnt, um ihre freie und völlige Zustimmung.
Die Opferseele erkennt, dass ihr ‚Jawort' Leiden bringen wird, darum wird sie anfänglich zögernd sein und sich entmutigt fühlen. Doch im entscheidenden Augenblick eilt die himmlische Mutter zu Hilfe, die immer das Werk Ihres anbetungswürdigen Sohnes unterstützt.
Die Schriften von Josefa Menendez ‚Die Liebe ruft' erwähnen, wie die himmlische Mutter sie ermutigt habe:
‚Fürchte dich nicht, Meine Tochter, Ich werde dir immer zur Seite stehen und dir helfen. Nimm die Aufforderung Jesu an!'
Kann Jesus in einer Seele frei schalten und walten, dann schenkt Er ihr Gnadengaben (Charismen) in reicher Fülle. Große Freuden wechseln dann ab mit großen Leiden.
Wohlgerüche |
In seinem ‚Grundrisse der aszetischen und mystischen Theologie' erwähnt Tanquery, dass unter den Gnadengaben auch jene der Wohlgerüche zu finden seien. Es handelt sich um einen starken, süßen Duft, der aus einer Mischung von verschiedenen Wohlgerüchen stammt. Solche Wohlgerüche werden oft nur während Augenblicken wahrgenommen, mitunter in Abständen.
Ein Leben voller Leiden |
Die Leiden dieser Seelen sind verschiedenartig: Es sind körperliche Schmerzen, denn auch sie sind Krankheiten ausgesetzt. Zu diesen körperlichen Leiden gesellen sich die seelischen: das Unverstandensein, Bitternisse und Widerwärtigkeiten, die Todesangst und die Trauer Jesu im Ölgarten, furchtbare Versuchungen, Verlassenheit und die Nacht des Geistes. Es ist zu bemerken, dass für die Beschauung große Reinheit des Herzens erforderlich ist. Es sind aber selbst fortgeschrittene Seelen noch sehr unvollkommen. Um sie zu läutern und sie auf einen höheren Grad der Beschauung vorzubereiten, sendet Gott verschiedene Prüfungen, die als passive bezeichnet werden, weil Gott sie selbst hervorruft, und die Seele sie nur geduldig hinzunehmen braucht.
All diese Leiden und Schmerzen, dieses ununterbrochene Opferleben verlangt der Herr und wertet es fast immer für seine Priester aus.
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Kommen diese Einwirkungen von Gott, so werden sie umso sicherer fortdauern, denn in der Prüfung werden sie stärker, statt abzunehmen. Das ist eine Tatsache. Andererseits vermeide man, die Seele zu ängstigen oder in Verwirrung zu bringen, denn sie kann nichts dagegen tun.
Als schönste Frucht unserer Betrachtungen über das mystische Leben beherzigen wir die Worte des heiligen Paulus im Hohelied der Liebe:
‚Wenn ich mit Menschen- ja mit Engelzungen rede, habe aber die Liebe nicht, so bin ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.
Und wenn ich die Prophetengabe habe, und alle Geheimnisse weiß, und alle Erkenntnis besitze, und wenn ich allen Glauben habe, so dass ich Berge versetzen kann, habe aber die Liebe nicht, so bin ich nichts ... Wir sehen jetzt durch einen Spiegel rätselhaft, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich genau erkennen, wie auch ich erkannt bin. Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei: Am größten aber unter ihnen ist die Liebe.' 1. Kor. 13.
Manuskript |